Compliance in Prophylaxe und Kausaltherapie

 

 

Wir reden zwar von: „Gesunde Zähne ein Leben lang“ – durch Prophylaxe, müssten aber sagen: „Gesunde Zähne ein Leben lang; aber nur durch Prophylaxe ein Leben lang!“

Die Compliance eines Patienten in Bezug auf die Einhaltung der Anweisungen zur häuslichen Mundhygiene, zur zahngesunden Ernährung und der geforderten Bestellabstände in der Prophylaxe, ist nicht vorhersehbar. Sie kann daher in die Behandlungsplanung, als verlässlicher Faktor, nicht einbezogen werden.

Wie viele Patienten in der „lebensbegleitenden Prophylaxe/Kausaltherapie“ zeigen eine ausreichende Compliance?

Nur zu sagen oder in einer Statistik abzubilden, dass der Patient mitgemacht hat, ist nicht ausreichend. Die vorhandenen Untersuchungen zu diesem Thema beschränken sich leider meist auf die Angabe von Prozentzahlen, ohne genaue Angaben über die Randbedingungen zu machen. Außerdem sind die Beobachtungszeiträume eher gering.

 

Die Qualität der Mitarbeit hängt von einer Reihe von Parametern ab:

1. Indikation zur Mitarbeit (z. B. bezogen auf den Bestellabstand):
Wie genau wurde der Abstand in der PZR bestimmt?
Wie erfolgreich war die geforderte Mitarbeit?

2. Konstanz der Mitarbeit:
Wie konstant hat der Patient z. B. seine Termine wahrgenommen?
Wie war der Bestellabstand in der Untersuchungsgruppe?

3. Qualität der Mitarbeit:
Wie konstant gut hat der Patient z. B. seine Zähne gereinigt?
Wie wurde die Qualität der professionellen Zahnreinigung sichergestellt?

 

Ergebnisse aus der eigenen Praxis:

1998: 569 Patienten mit einem, seit mindestens drei Jahren (1996-1998), konstanten Sitzungsabstand von zwei bis vier Monaten. In etwa 2/3 der Fälle handelt es sich um PAR-Patienten.  In dieser Gruppe sind  ~ 174 Patienten, die 2015 seit über 30 Jahren am Prophylaxe- und Kausaltherapieprogramm teilnehmen.

2015: 518 dieser Patienten sind noch vorhanden. 206 Patienten haben den Bestellabstand von zwei – vier Monaten beibehalten,  312 Patienten haben heute Sitzungsabstände von vier – fünf Monaten.

Der Untersuchungszeitraum entspricht der Einführung eines digitalen Prophylaxe-Bestellbuchs.

Viele Patienten, die über lange Jahre an der Prophylaxe teilgenommen haben, sind nicht in der Statistik enthalten. Es handelt sich hierbei um Patienten, die die Praxis 1989, bei der Rückgabe der Kassenzulassung, verlassen haben und um Jugendliche und junge Erwachsene, die den Versicherungsschutz (privat/Beihilfe) durch ihre Eltern nach der Ausbildung verloren hatten.
Ausgeschlossen sind auch die Patienten, die im Laufe der 17 Jahre des Untersuchungszeitraums neu in das Prophylaxeprogramm aufgenommen wurden.

Für alle Patienten in der Prophylaxe/Kausaltherapie (ca. 4500 im Zeitraum von 1980-2015) allerdings gilt, was mit Einschränkungen eine WHO-Untersuchung zur Compliance bei Patienten mit chronischen Erkrankungen zeigt:

Laut Weltgesundheitsorganisation haben im Durchschnitt nur 50% der Patienten eine gute Compliance. In vielen Therapiegebieten mit chronischen Erkrankungen sind nach einem Jahr nur noch etwa 50% der Patienten in der initialen Therapie (Burkhart PV, Sabaté E. Adherence to long-term therapies: evidence for action. J Nurs Scholarsh. 2003;35(3):207. PubMed PMID: 14562485).

Einschränkung (Erfahrung aus der eigenen Praxis):
In der Prophylaxe/Kausaltherapie wird dieses kritische erste Jahr mit hohen Verlustraten auf vier – fünf Jahre gestreckt.

 

Non-Compliance

Die Gründe für eine schlechte und nicht dauerhafte Mitarbeit des Patienten sind nicht völlig klar. Unter anderem kommen in Betracht:

Die lange Dauer der notwendigen Mitarbeit.

Auftreten oder Wiederauftreten von Karies und Parodontitis.

Auftretende Nebenwirkungen der Maßnahmen.

Auftretende Kosten.

Notwendige Änderungen des gewohnten Verhaltens.

In der Prophylaxe/Kausaltherapie oraler Erkrankungen kommt hinzu, dass der Leidensdruck im Laufe der Zeit abnimmt oder, wie bei Kindern und Jugendlichen, in der Regel von Anfang an nicht vorhanden ist.

 

Die WHO definiert fünf miteinander verknüpfte Ebenen, die die Therapietreue beeinflussen:

1. Sozio-ökonomische Faktoren (Armut, Ausbildungsstand, Arbeitslosigkeit)

2. Patientenabhängige Faktoren (Fähigkeit zur Selbstorganisation, Vergesslichkeit, Wissen)

3. Krankheitsbedingte Faktoren (Symptome, gefühlter Nutzen, gleichzeitige Depression)

4. Therapiebedingte Faktoren (Nebenwirkungen, Komplexität der Verabreichung)

5. Gesundheitssystemabhängige Faktoren (Kostenübernahme, Behandlungsmöglichkeiten, Kommunikation)

 

Negative Beeinflussung von Seiten Dritter:

1. In der öffentlichen Meinung setzt sich, eingeführt durch einige Universitäten, Kammer, KZVen, Versicherungen und Kollegen, die Vorstellung fest, dass eine PZR eine halbe Stunde (Politur und Kürettage) dauert, nur alle halbe Jahre nötig ist und 60 bis 80 Euro kosten darf.

2. Die in der Prophylaxe und Kausaltherapie heute unumgänglichen Medikamente wie Fluoride und Chlorhexidine werden, ohne wissenschaftliche Grundlage, verteufelt. Einige Gesundbeter säen so Zweifel am Wert der Prophylaxe.

3. Die Industrie versucht das Bedürfnis der Anti-Fluorid-  und Anti-Chlorhexidingruppe  nach gesunden Zähnen durch massive Bewerbung von „Ersatzproduckten“, mit sehr zweifelhafter Wirkung, zu befriedigen.

4. Durch mangelhafte Ausführung von Prophylaxe- und Kausaltherapieprogrammen stellen sich, nach einigen Jahren, Misserfolge ein, die sich dann schnell herumsprechen und die Bereitschaft der Patienten zur Mitarbeit schwächen. Siehe auch: „Und wieder schlägt die Stiftung Warentest zu.“

 

Möglichkeiten die Compliance zu verbessern:

1. Motivierende Beratung
– Gut, hält aber nicht lange vor. Zwar spendet der Patient für unsere Beratung  begeisterte Zustimmung; wir sollten aber davon ausgehen, dass rationale Einsicht bei Menschen in der Praxis keine Handlungskonsequenz auslöst. Appelle an die Vernunft verhallen zu oft folgenlos.
Verbessern kann die Situation die Bereitstellung von Argumenten und die Argumentation unterstützende Beispiele, mit denen der Patient seine Entscheidung, am Programm teilzunehmen, sich selbst und anderen gegenüber rechtfertigen kann.

2. Anfärben von Biofilm und Darstellung der Beläge
– Bei Kindern und Jugendlichen aber nur, wenn die Eltern dabei sind, sonst macht das kaum Eindruck.
Wir fragen das Kind (in der Sitzung, in der die Teilnahme am Prophylaxeprogramm besprochen werden soll- meist erste 0010), ob es seine Zähne gut putzt. Die Antwort von Mutter und Kind ist fast immer: „Ja!“ Die nächste Frage lautet: „Wann hast Du die Zähne zuletzt geputzt?“ Meistens lautet die Antwort: „Bevor ich gekommen bin.“ Ohne weiteren Kommentar färben wir die Zähne 14, 13, 12, 11 ein und spülen die überschüssige Farbe gründlich ab. Dann geben wir dem Kind wortlos einen Spiegel. “ Ist das nicht traurig? Da putzen wir unsere Zähne jeden Tag und trotzdem bleibt soviel Belag übrig. Selbst wenn man, wie Du und Deine Mutter (dein Vater), sich soviel Mühe geben.“
Anschließend wird die grüne Farbe wegpoliert und dabei der Mutter die Situation, ohne Schuldzuweisung, erläutert.

3. Darstellung des Biofilms als Nativpräparat im Mikroskop für Erwachsene
– Sehr gut, aber großer instrumenteller Aufwand. Patienten sind oft noch nach Jahren beeindruckt von der Erkenntnis, dass nicht nur „die Wüste lebt“.

4. Morphing vom Kind zur Oma mit und ohne Prophylaxe
– Schön aber personenbezogen zu aufwendig.

5. Remotivation
– Schwierig aber unerlässlich und in der Wirkung stark abhängig von der kommunikativen Kompetenz der agierenden Mitarbeiterin.

6. Ein verlässliches Erinnerungssystem

 

Die Compliance verbessert sich:

Wenn der Patient die Ernsthaftigkeit seines Leidens erkennt!
Wenn der Patient an die Wirksamkeit der Therapie glaubt!
Wenn der Patient mit der Betreuung in der Praxis zufrieden ist!

 

Wenn wir dem Patienten raten, an einem Prophylaxeprogramm teilzunehmen, müssen wir nicht nur die Qualität dieses Programms auf einem hohen Stand halten, sondern auch den Patienten in seiner Compliance mit allen Mitteln unterstützen.


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