Schon die Dentistenausbildung in Deutschland war fragwürdig und wurde daher 1952 abgeschafft; ob wir einen „Schmalspurzahnarzt“ brauchten, kann heute sicher verneint werden. Österreich wurde wegen des Dentistengesetzes vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt und unterlag 2005.
Und nun wollen wir eine „Schmalspurparodontologin“ etablieren? So ganz verständlich ist das nicht.
Die Diskussion um einen weiteren und möglichst eigenständigen Heilberuf – die Befreiung der DH vom Übel der Delegation – hat begonnen. Aufgebracht wurde sie natürlich aus den Reihen der organisierten DH´s und mit Begeisterung aufgenommen und geschürt von Unternehmen, die die Gewinnchancen auf dem Gebiet der Fortbildung klar erkannt haben.
Wir sollten hier die Frage stellen, was nutzt wem und was braucht wer? Also:
Was braucht der Patient?
Er braucht neben der fachlichen und handwerklichen Kompetenz der Zahnärztin oder des Zahnarztes eine allein verantwortliche Behandlerin oder einen allein verantwortlichen Behandler, der oder dem er vertraut. Er braucht aber auch jemanden, der angemessene und verträgliche Honorare generiert und darauf achtet, dass die Kosten für notwendige Leistungen, auch Leistungen Dritter, nicht aus dem Ruder laufen und dass diese Leistungen von guter Qualität sind.
All das erwartet der Patient, neben anderem, von uns.
Was braucht die Zahnärztin oder der Zahnarzt?
Wir brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die wir Arbeiten delegieren können, die unter unserer Anleitung, Aufsicht und Verantwortung – zum Nutzen und Wohl des Patienten – notwendig durchgeführt werden müssen. Selbstverständlich könnten wir diese Arbeiten auch selbst erledigen.
Warum also dann Delegation z.B. bei Parodontitispatienten?
1. Patienten mit hohem PAR-Rezidiv-Risiko brauchen, medizinisch notwendig, eine engmaschige, permanente, professionelle und lebensbegleitende Betreuung.
2. Etwa 20 – 30 % der Patienten einer Praxis benötigen eine solche Leistung.
3. Der zeitliche und technische Aufwand zur Sicherung einer ausreichenden Qualität der Leistung ist hoch und damit für den Patienten kostenträchtig.
4. Patienten haben ein Anrecht auf medizinisch notwendige Leistungen in ausreichender Qualität und zu angemessenen Gebühren.
Dies zu ermöglichen, ist unsere Aufgabe.
Deswegen ist es für den Patienten sinnvoll, dass unter unserer Aufsicht diese Betreuung teilweise delegiert wird.
Wir brauchen also Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die wir notwendige Leistungen delegieren können.
Die Ausbildung solchen Personals kann durchaus und am besten durch uns in der Praxis erfolgen; es werden ja auch zahnmedizinische Fachangestellte von uns ausgebildet – seit Jahrzehnten mit Erfolg. Dabei hat natürlich jeder gern etwas Unterstützung. Aus diesem Grund haben wir bei freien Anbietern und in den Kammern Fortbildungskurse veranlasst und genutzt.
Die dort erworbenen „Titel“ und „Zertifikate“ dienen einzig dazu, uns, der Behandlerin und dem Behandler, eine Vorstellung vom Ausbildungsstand der betreffenden Person zu vermitteln. Ein Rechtsanspruch, nach dem Motto „Das darf sie und das nicht, weil sie in der Kammer diesen und jenen Kurs absolviert hat,“ ergibt sich daraus nicht. Die Verantwortung für etwaige Fehler können nicht auf die Kammer oder die Mitarbeiterin abgewälzt werden; auch entsteht dadurch keine Rechtssicherheit für uns. Allein die Zahnärztin oder der Zahnarzt bestimmt was an wen delegiert werden kann, denn nur sie oder er trägt die volle Verantwortung dafür!
Was muss eine Mitarbeiterin können, die in der Prophylaxe und Kausaltherapie eingesetzt werden soll?
1. Sie muss mit Menschen umgehen können und das kann jede gut ausgebildete zahnmedizinische Fachangestellte!
2. Sie muss Karies und Parodontitis und die Folgen in einfachen Worten beschreiben, das Mittel der häusliche Mundhygiene unterrichten und eine Ernährungsberatung (bezogen auf die Kariesprävention) durchführen können.
3. Sie muss die Anatomie der Mundhöhle gut kennen und Abweichungen von der Norm als Abweichungen registrieren.
4. Sie muss in der Lage sein den Biofilm vollständig zu entfernen und den Umgang mit Fluoriden beherrschen.
5. Sie muss supragingivale und erreichbare subgingivale Ablagerungen (bis ~ 4 mm Taschentiefe) entfernen können! Das können meine zahnmedizinischen Fachangestellten und ZMP seit 35 Jahren perfekt, sonst hätten schwer erkrankte PAR-Patienten über diese Zeit ihre Zähne nicht behalten können!
6. Sie muss, neben der Arbeit in Prophylaxe und Kausaltherapie, auch weite Bereiche der allgemeinen Praxisarbeiten sicher beherrschen – mit anderen Worten, sie muss eine zahnmedizinische Fachangestellte mit Erfahrung auf diesen Gebieten sein!
Aus dem unterstützenden Fortbildungsangebot der Kammern und der freien Fortbildungsanbieter können wir das aussuchen, was zu unseren eigenen Fortbildungsbemühungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter passt.
Immer aber sind wir verpflichtet die Leistungen, die erbracht werden, streng, systematisch und wiederholt zu prüfen. Von dieser Pflicht entbindet auch nicht die Einstellung einer DH; schon gar nicht, wenn sie nach dem Lehrplan der praxisHochschule Köln oder einer Kammer ausgebildet ist.
Denken wir zurück: Wir wussten nach dem Staatsexamen, nach fünf- bis sechs-jähriger Ausbildung, fast alles – aber was konnten wir? Betrachten wir dies rückblickend kritisch, so hat es Jahre gedauert und der ständigen Fortbildung und Betreuung durch gute und erfahrene Kolleginnen und Kollegen bedurft, bis wir sicher im Beruf standen.
Wer kann glauben, dass das bei einer wie auch immer ausgebildeten DH anders ist?
Sinn einer akademischen Ausbildung
„Ziel des Studiums ist die Befähigung der Absolventinnen und Absolventen zur eigenständigen Anwendung und Produktion wissenschaftlicher Erkenntnisse; gleichzeitig sollen sie in der Lage sein, eingesetzte Methoden kritisch zu reflektieren. Dies macht einen wesentlichen Teil des Mehrwerts aus, der eine hochschulische Ausbildung von einer klassischen Berufsausbildung unterscheidet. Die Studierenden werden durch das Studium befähigt, besser mit Unwägbarkeiten, Ungewissheit und konkurrierenden Deutungen komplexer Fragestellungen umzugehen. Die wissenschaftliche Urteilsfähigkeit ist Voraussetzung dafür, komplizierte Sachverhalte zu analysieren und zu bewerten sowie im Berufsalltag von Routine geprägtes professionelles Denken und Handeln in Frage zu stellen. Dies sind Fähigkeiten, die für die spätere vielschichtige berufliche Tätigkeit gewünscht werden und erforderlich sind, um mit komplexen Situationen umzugehen.“
Bollinger H, Gerlach A, Pfadenhauer M. Gesundheitsberufe im Wandel – Soziologische Beobachtungen und Interpretationen. Frankfurt a.M.: Mabuse; 2005.
Eine so ausgebildete Mitarbeiterin nutzt aber weder dem Patienten noch uns, denn wir bestimmen nach welchen Regeln die Prophylaxe in unseren Praxen durchgeführt wird und wir passen sie den Veränderungen in der Wissenschaft an.
Was brauchen der Klettverlag und ähnliche Fortbildungsinstitute?
Sie brauchen Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit deren Ausbildung sie Gewinne erwirtschaften können.
Dazu benötigen sie Alleinstellungsmerkmale die sie aber im Vergleich zu Kammerausgebildeten ZMF, ZMP und DH nicht ausbilden können. Jetzt sollen unbegründete Delegationsverbote für das Personal, die diese Arbeiten seit Jahren zufriedenstellend ausführen, diesen Mangel beheben – eine freche Methode.
Natürlich könnte die Ausbildung in den Kammern noch wesentlich verbessert werden, jedoch ist die Ausbildung durch den Klettverlag keinesfalls besser, dafür allerdings wesentlich teurer und wesentlich weniger auf die Bedürfnisse unserer Patienten abgestimmt. Wer das Bewerten will, sollte sich die neckischen Werbefilmchen bei YouTube ansehen: https://www.youtube.com/watch?v=OuB6QcB9tjc
Wünscht eine Mitarbeiterin in „Forschungs- und Projektarbeit oder/und Erweiterung ihrer wissenschaftlichen Kompetenz“ (entnommen aus dem Lehrplan der praxisHochschule) mehr zu wissen, so wird sie oder ihr Arbeitgeber sicherlich eine Möglichkeit finden, ihr das zu ermöglichen. Ob das dem Patienten nutzt, ist zumindest fraglich, sicher aber verteuert es die Prophylaxe für ihn.
Schon heute kann jede Zahnarzthelferin, ob sie ein Abitur hat oder nicht, den Weg ZFA – ZMF/ZMP oder DH (Kammerfortbildung) + Praxiserfahrung = Studienzulassung für ein Zahnmedizinstudium beschreiten.
Der Weg zu akademischen Weihen steht also offen.
Die Anpassung an eine europäische Normausbildung, die dann eine Anerkennung der Ausbildung in allen Staaten Europas ermöglicht, liegt im Interesse mancher!?
In Deutschland kann heute schon jede DH, egal woher sie kommt, arbeiten und, wenn sie ihr Handwerk beherrscht, alle Arbeiten, die wir delegieren, auch ausführen. Und sie wird dann nach ihren Leistungen und der Marktlage angemessen entlohnt, nicht nach ihrem Titel!
Die Frage ist nicht „Was brauchen wir?“ oder „Was braucht oder will die Mitarbeiterin“ oder „Was möchte der Fortbilder?“ oder „Was möchte die Europäische Union?“ oder die „OECD“ sondern einzig:
„Was braucht und was nützt dem Patienten?!“
Mal hinhören:
Der Akademisierungswahn: Julian Nida-Rümelins scharfe Kritik am deutschen Bildungssystem:
http://www.koerber-stiftung.de/mediathek/player/der-akademisierungswahn-1.html