Bedeutung des Sitzungsabstandes in der Kausaltherapie (1)

Wie häufig braucht ein Mensch eine professionelle Zahnreinigung?

Das hängt ganz vorwiegend von der Neigung eine Parodontitis/Karies zu entwickeln und von deren Progressivität ab.

Die Prognose für die Entwicklung einer Parodontitis/Karies ist, wie jeder Blick in die Zukunft, kaum sicher möglich; gerade dann, wenn wir vor einer völlig gesunden Situation stehen. Die Prognose wird besser, wenn Krankheitsentwicklungen im Zeitverlauf erkennbar sind.

So können wir bei einem 18 jährigen mit einer DMF-T von neun ziemlich sicher vorhersagen, dass es noch weitere erhebliche Probleme, verursacht durch Karies, geben wird.

In der Parodontologie kann ähnliches gelten, allerdings kommt hier hinzu, dass die Behandlung einer Parodontitis, ohne eine adäquate Nachsorge, nicht nur zu einem Rezidiv führt, wie bei der Karies auch, sondern zusätzlich zu einem schnelleren Krankheitsverlauf als ohne Therapie. Eine solche therapeutische Intervention schadet also dem Patienten vermutlich mehr als sie nutzt.

 

Der Patient, 2009 64 Jahre alt, wurde 2001 alio loco, nach Anfertigung eines OPG´s, einer Parodontitisbehandlung unterzogen. Nach zwei ausführlichen Mundhygieneberatungen erfolgte nach der Behandlung keine weitere Betreuung.

 

 

Im Jahre 2009 stellte der Patient sich mit einer weit fortgeschrittenen Parodontitis bei mir vor. Ihn störten die lockeren Frontzähne im Unter- und Oberkiefer. Er ist Nichtraucher und zeigt sonst keine Erkrankungen, die relevant für die Entwicklung einer ausgeprägten Parodontitis wären.

 

 

Die Situation stellte sich vor Behandlung wie oben gezeigt dar. Einige Zähne sollten, auf Wunsch des Patienten, auch trotz eher sehr schlechter Prognose, erhalten werden.
Aus meiner Erfahrung heraus ist das durchaus möglich. Der Patient erfuhr eine recht umfangreiche Mundhygieneunterweisung und eine erste prätherapeutische professionelle Zahnreinigung (Sondierungsstatus mit Aufzeichnung der „blutenden Stellen“ am 14.12.2009).
Es folgte die PAR Therapie mit antibiotischer Abdeckung und häuslichen CHX-Spülungen für sechs Wochen.
Die professionelle Zahnreinigung (nur supragingival) erfolgte vier Mal in wöchentlichem und anschließen sechs Mal in vierzehntägigem Abstand, dann auch subgingival.

 

………………..     Sitzungsabstand-PZR = zwei Monate    ……………………..

 

Nach PAR-Behandlung wurde ein enges Recall mit Sitzungsabständen von zwei Monaten im ersten Jahr durchgeführt. Der PAR-Status nach sieben Monaten zeigte eine Stabilisierung der parodontalen Situation. Die definitive Versorgung wurde nach weiteren sechs Monaten, bei ähnlicher Befundlage, eingeleitet.  

Dann allerdings erweiterte der Patient den Sitzungsabstand in der Prophylaxe still und leise auf drei bis fünf Monate. Die Blutungen auf Sondierung und die Zahl der Spirochäten im Nativpräparat nahmen zu. Trotz des Hinweises auf eine Verschlechterung der Situation und der Bitte wieder auf den Zweimonatsabstand zurückzukehren, kam er am Ende nur noch alle vier – fünf Monate.

 

………………..     Sitzungsabstand drei – fünf Monate    ……………………..

 

Auszug aus der Prophylaxekartei des Patienten für die folgenden Jahre – aus Platzgründen wurden nicht alle Befunde grafisch dargestellt:

 

 


 

 

 

 

 

 

Anfang 2015 wurde ein erneutes schweres Parodontitisrezidiv festgestellt das nun wieder einer Behandlung zugeführt werden soll; aber nur unter der Bedingung, dass der Patient einem zweimonatlichen Sitzungsabstand (jeweils mindestens 1,5 Std.) erneut zustimmt.

 

Konsequenzen, die man aus diesem Fall ziehen kann:

1. Bei Patienten über 45-50 Jahren sollte, bei Bestehen einer „Erwachsenen-Parodontitis“ ohne Beschwerden und ohne massive Destruktion, eine Behandlung erst nach einer längeren Beobachtungszeit in der Kausaltherapie/Prophylaxe erfolgen. Erfahrungsgemäß bleiben solche Fälle über viele Jahre und Jahrzehnte völlig stabil oder verbessern sich. Ein Bestellabstand von drei bis fünf Monaten sollte für die professionelle Zahnreinigung ausreichend sein.

2.  In schweren PAR-Fällen, bei denen sich ein abwartendes Vorgehen auf Grund der Ausprägung der Schäden, der Beschwerden oder/und Funktionseinschränkungen verbietet, ist für eine erstklassige und sehr zeitaufwendige posttherapeutische Betreuung, in einem höchstens zweimonatlichen Abstand, Sorge zu tragen! Die Vergrößerung des Sitzungsabstandes kann nur langsam, über Jahre, erfolgen und wird wahrscheinlich nie größer als drei Monate werden.

3. Die von Elisabeth Westfelt, in ihrer Dissertation zum Thema Effect of
Periodontal Therapy 1984, getroffenen Aussagen sind beachtenswert:
a) Bei optimaler postoperative Nachsorge ist keine der     Behandlungstechniken (geschlossene oder offene PAR) überlegen in Bezug auf die Verminderung der Entzündungszeichen, Taschenreduktion und Attachmentgewinn.
b) Nach sechs Monaten postoperativer Nachsorge durch professionelle Zahnreinigung alle zwei Wochen hielt sich das erreichte Attachmentniveau auch bei einem Recall alle drei Monate.

4. Die Re-Evaluation für eine definitive und meist aufwendige Versorgung sollte erst nach mindestens einem Jahr erfolgen.

5. Wird das vom Patienten nicht akzeptiert, sollten andere Wege zur Aufrechterhaltung der Funktion gesucht werden.

6. Ein ständiger Hinweis auf die Notwendigkeit die Sitzungsabstände einzuhalten ist erforderlich. Der Hinweis auf die Konsequenzen muss in der Karteikarte dokumentiert werden.

7. Eine sichere Einschätzung der Compliance des Patienten ist auf lange Sicht nicht möglich.

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben im Durchschnitt nur 50 Prozent der Patienten eine gute Compliance. In vielen Therapiegebieten mit chronischen Erkrankungen sind nach einem Jahr nur noch etwa 50 Prozent der Patienten in der initialen Therapie (Burkhart PV, Sabaté E. Adherence to long-term therapies: evidence for action. J Nurs Scholarsh. 2003;35(3):207. PubMed PMID: 14562485).

Solche Sitzungsabstände werden nicht gerne akzeptiert, weder von den Patienten noch von den Versicherungen; die Erfahrung hat aber gelehrt, dass in solchen Fällen nur so Erfolg zu erreichen ist.

Trotz ausführlicher Beratung über Therapie und Prophylaxe/Kausaltherapie müssen wir immer damit rechnen, dass der Patient nach einiger Zeit nicht in der Lage ist, eine ausreichende Compliance zu zeigen.

 


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